Akutes Nierenversagen - Spezialisten und Informationen

12.02.2024
Prof. Dr. med. Wolfgang Grotz
Medizinischer Fachautor

Ein akutes Nierenversagen (akute Niereninsuffizienz) zeichnet sich durch den plötzlichen Verlust der Nierenfunktion aus. Meistens geschieht dies innerhalb von wenigen Tagen. Zunächst bleibt ein akutes Nierenversagen ohne Symptome. In späteren Stadien kommt es zu verminderter Urinausscheidung, Bluthochdruck, Wassereinlagerungen und Luftnot. Trotz der geringen Beschwerden sollten Sie diese ernste Erkrankung nicht unterschätzen.

Im Folgenden finden Sie weitere Informationen sowie ausgewählte Spezialisten für akutes Nierenversagen.


ICD-Codes für diese Krankheit: N17

Artikelübersicht

Was ist akutes Nierenversagen?

Die Nieren sind eines der kleinsten Organe des Körpers. Gleichzeitig sind sie aber im Ruhemodus und unter körperlicher Belastung die Organe mit der höchsten Durchblutung. Die Nieren haben eine Vielzahl von Aufgaben im menschlichen Organismus (Grafik 1). Ärzte und Patienten unterschätzen die Bedeutung der Nieren zumeist.

Bedeutung Nieren
Grafik 1: Aufgaben der Nieren im menschlichen Organismus

Ein akutes Nierenversagen kann bei bester Nierengesundheit (akut) oder bei bekannter Nierenerkrankung (akut chronisch) eintreffen.

Im Gegensatz zum chronischen Nierenversagen kennzeichnet sich das akute Nierenversagen durch den plötzlichen Verlust der Nierenfunktion. Meist tritt die Nierenfunktionsverschlechterung innerhalb von wenigen Tagen auf.

Wie häufig tritt akutes Nierenversagen auf?

Die Häufigkeit der akuten Niereninsuffizienz nimmt schon seit 7 Jahren zu.

Dies gilt sowohl für im Krankenhaus erworbene Formen (die weitaus größte Gruppe), als auch für ambulant erworbene Fälle. Das akute und chronische Nierenversagen gehört zur häufigsten Ursache für eine Langzeitdialyse in den USA.

Ursachen für akutes Nierenversagen

Die Ursachen sind vielfältig. Bewährt hat sich die Einteilung in:

  • prärenales akutes Nierenversagen
  • renales akutes Nierenversagen
  • und postrenales akutes Nierenversagen

So kann jede schwere Organerkrankung oder jede Durchblutungsstörung der Niere zum Nierenversagen führen. Am häufigsten kommen Blutverlust,  Austrocknung und Schock vor. Eine schwere Herz- oder Lebererkrankung kann ebenfalls zu Nierenversagen führen.

Eine weitere häufige Ursache für ein akutes Nierenversagen sind vorangegangene Kontrastmitteluntersuchungen. Die Dunkelziffer von Niereninsuffizienzen nach Herzkatheteruntersuchung ist hoch. Da der Kreatininanstieg aber erst 24 bis 48 Stunden nach der Kontrastmittelgabe erfolgt, haben die Patienten das Krankenhaus bereits wieder verlassen.

Zirka 1 Prozent der Patienten, die vorher eine gesunde Niere hatten, benötigen nach einem Herzkatheter eine Dialysebehandlung. Durch das Nierenversagen steigt die Krankenhausmortalität der Herzpatienten von 1 Prozent auf 36 Prozent an. 13 bis 50 Prozent der Patienten, die eine Dialyse nach Kontrastmittelgabe benötigen, bleiben permanent dialysepflichtig.

Neben Schmerz-, Blutdruck- und Wassermedikamenten können folgende Erkrankungen eine Niereninsuffizienz verursachen:

  • Nierenembolien
  • Cholesterinembolien
  • Plasmozytom
  • Muskelzerfall
  • Verlegung der ableitenden Harnwege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre)

Symptome bei akutem Nierenversagen

Ein akutes Nierenversagen präsentiert sich zunächst ohne Symptome, daher bemerken Arzt und Patient es oft nicht. Die Harnausscheidung bleibt oft erhalten.

Erst wenn die Niere zu 90 Prozent ihre Funktion eingestellt hat, tritt eine verminderte Urinausscheidung auf. Zusätzlich treten Bluthochdruck, Wassereinlagerungen und Luftnot auf.

Die früher immer tödlich ausgegangene Nierenvergiftung zeigt sich in unspezifischen Symptomen wie:

  • Rückgang der Leistungsfähigkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Gefühlsstörungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Verwirrtheit
  • Krämpfen

Im Anfangsstadium kann der Arzt ein akutes Nierenversagen nur durch eine Messung der Nierenfunktion erkennen. Dazu misst er das Serum-Kreatinin im Blut und rechnet es dann in die Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate GFR) um (Grafik 2).

Die Umrechnung ist notwendig, da das Serum-Kreatinin abhängig von Geschlecht, Alter, Muskelmasse, Nahrungszufuhr und Trinkmenge ist.

Es zeigt allerdings nicht die aktuelle Nierensituation, wenn das Kreatinin nicht genug Zeit hatte, im Körper zu akkumulieren. Das Serum-Kreatinin ist dann niedrig, obwohl die Nierenfunktion bereits deutlich reduziert ist.

Auch an der Dialyse ist die Nierenfunktion nicht mehr durch das Serum-Kreatinins messbar, da die Dialyse das Kreatinin entfernt.

Kreatin Nierenfunktion
Grafik 2: Am häufigsten kann die Nierenfunktion mit Hilfe des im Blut gemessenen Kreatinins errechnet werden. Zwischen Kreatinin und Nierenfunktion besteht ein quadratischer Zusammenhang. Deshalb können bereits kleine Anstiege des Seren-Kreatinins (z.B. 0,3 mg/dl) zu einem großen Verlust der Nierenfunktion beitragen (z.B. 50 %).

Stadien des akuten Nierenversagens

Es gibt unterschiedliche Stadien beim akuten Nierenversagen (Grafik 3).

akutes Nierenversagen Stadien
Grafik 3: Einteilung der Stadien bei akutem Nierenversagen.

Die Diagnose von akutem Nierenversagen

Zur Diagnostik führen Ärzte neben der Blutabnahme eine Urinuntersuchung und eine Ultraschalluntersuchung der Nieren durch. Die Sonographie schließt ein chronisches oder ein postrenales Nierenversagen aus.

Die Duplexuntersuchung der Nieren sichert in seltenen Fällen eine Durchblutungsstörung. Die Computertomographie ermöglicht die Diagnose einer Nierenarterienembolie.

Lässt sich damit die Ursache des akuten Nierenversagens nicht klären, muss eine Nierenbiopsie erfolgen. Idealerweise führen Ärzte sie am Aufnahmetag durch.

Die Behandlung von akutem Nierenversagen

Die Therapie der akuten Niereninsuffizienz beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen wie:

  • Korrektur reversibler prä- und postrenaler Ursachen
  • Beibehaltung der Flüssigkeits- und Elektrolytbalance
  • Vermeiden weiterer Nierengifte
  • Eine der Nierenfunktion angepasste Medikamentendosierung
  • Dialyse

Kurzfristig droht durch zu hohe Kaliumwerte ein Herzstillstand. Deshalb müssen Ärzte diätetische Maßnahmen ergreifen, um die Kaliumzufuhr (Obstsäfte und Obst) zu stoppen.

Kaliumhaltige Medikamente oder kaliumsparende, wassertreibende Harnmittel muss der Patient vermeiden. Gegebenenfalls setzen Ärzte einen Kaliumbinder ein.

Es besteht ebenfalls die Gefahr der Überwässerung, die zur Luftnot führt. Da aber auch eine Unterwässerung zur weiteren Schädigung der Nieren führt, muss die Kochsalz- und Flüssigkeitszufuhr bilanziert erfolgen. Das Ausmaß der Flüssigkeitszufuhr richtet sich nach der Urinmenge und den nicht sichtbaren Flüssigkeitsverlusten über die Haut.

Bei Nierenschwäche müssen Ärzte alle wasserlöslichen und über die Niere ausgeschiedenen Medikamente niedriger dosieren. Erfolgt dies nicht, reichern sich diese im Blut an und bewirken Nebenwirkungen und Vergiftungen.

Üblicherweise setzen Ärzte bei akutem Nierenversagen ACE-Hemmer, AT1-Blocker und nichtsteroidale Antiphlogistika (Schmerzmittel) ab, da sie zur weiteren Verschlechterung beitragen. Kontrastmitteluntersuchungen sind ebenfalls tabu.

Bei einem kritischen Anstieg der Nierengifte, führen Ärzte eine Nierenersatztherapie durch. Diese erfolgt mittels einer Hämodialyse. Bei akutem Nierenversagen bringt eine frühe Dialyseeinleitung (Harnstoff 150 mg/dl) und eine intensivere Dialyse (tägliche Dialyse) signifikante Überlebensvorteile.

Dialyseplatz für die HämodialyseDialyseplatz für die Hämodialyse @ Tyler Olson /AdobeStock

Lebenserwartung und Heilungschancen bei akutem Nierenversagen

Das akute Nierenversagen ist eine ernste Erkrankung, die Patienten und Ärzte oft unterschätzen. Vor Einführung der Dialyse im Jahr 1960 lag die Sterblichkeit bei fast 100 Prozent.

Heute liegt sie bei Intensivpatienten mit akuter Niereninsuffizienz bei 40 bis 70 Prozent. Meist erholt sich die Nierenfunktion innerhalb von 1 bis 3 Wochen.

Kurzzeit-Prognose:

Bis vor wenigen Jahren glaubten Mediziner, dass nach überstandenem Nierenversagen und bei normaler Nierenfunktion alles wieder in Ordnung sei. Verschiedene Studien zeigten aber, dass die Prognose nach einem Nierenversagen nicht so gut ist wie angenommen.

Patienten, die bereits eine Dialyse benötigten, haben ein 28-fach höheres Risiko an einer chronischen Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit zu erkranken.

Langzeit-Prognose:

Ein akutes Nierenversagen hat nicht nur Folgen für die Niere. Es führt trotz Erholung der Niere im weiteren Verlauf zu einer erhöhten Sterblichkeit

Es macht den Anschein, dass die Niere das akute Nierenversagen im Gedächtnis behält. Nachher ist nichts mehr so wie vorher, auch wenn das Kreatinin im Normbereich liegt.

Für die Betreuung von Patienten mit akuter Niereninsuffizienz braucht es Spezialisten.

Untersuchungen zeigten, dass das Miteinbeziehen eines Nephrologen so früh wie möglich erfolgen sollte, um eine akute Niereninsuffizienz abzuwenden. Sollte es dennoch zum Nierenversagen kommen, sind die Schweregrade weniger stark ausgeprägt und die Sterblichkeit ist geringer.

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